Zwar klingt der Titel schöner, aber ich kann es auch einfacher ausdrücken: Es geht um die Solidarität in und für Griechenland und Marokko. Ich greife dabei auf eigene Reiseeindrücke zurück, die aber mit Aktivitäten im Forum Solidarische Ökonomie zusammenhängen. Dort hatten wir uns nämlich überlegt, dass in der jetzigen Situation die Solidarität mit dem Süden Europas von besonderer Wichtigkeit ist und wir haben uns dann auch bei einigen Aktivitäten dazu eingebracht.
Das war ein Motiv, im Juni zum AlterSummit nach Athen zu fahren, zum einen um gegen die gegenwärtige europäische Krisenpolitik zu protestieren (Demo zum Syntagmaplatz, außerdem Widerstand gegen die gerade erfolgte Schließung des Fernsehsenders und gegen Wasserprivatisierung) , zum anderen um einige der griechischen Selbsthilfeinitiativen kennenzulernen. Das war relativ leicht, weil sich etliche im Solidarity Village im Rahmen des Gipfels zusammenfanden. Solidarity4all bildete einen Rahmen für diese Zusammenkunft. Bereits im März hatte Angela von Attac Hamburg einige dieser Projekte interviewt und ich hatte Gelegenheit zu einigen Nachinterviews. Da zeigte sich zum Beispiel, dass die Zahl der betreuten Familien z.B. durch To Mirmigi (die Ameisen) in der kurzen Zeit von März bis April von 250 auf 500 gestiegen war. Und so war es generell: ein dramatischer Anstieg der Notlagen und ein gewaltiges Anwachsen der gegenseitigen Hilfe und Solidarität. Solidarität (αλληλεγγύη) war das allgegenwärtige Wort auf diesem Gipfel. Wirklich tröstlich war das aber nicht, weil es zumindest in Athen auf eine Verwaltung und Minderung der Not hinausläuft und keine eigenständige wirtschaftliche Basis erkennbar ist, die selbsttragende Strukturen der Daseinsversorgung ermöglichen würde. In ländlichen Gebieten mag das besser aussehen. Das muss alles natürlich genauer analysiert werden und zu diesem Zweck haben wir für das nächste Jahr eine Erkundungsreise ins Auge gefasst, die zugleich Ausdruck unserer Solidarität sein soll.
Ich will es hier aber mit einigen Beobachtungen im Süden Marokkos kontrastieren. Auch hier ist die Armut groß, nicht krisenhaft, sondern schon kontinuierlich. Hier gibt es zum Beispiel solidarische Reisen (itineraire solidaire), die den Touristen zu verschiedenen Kooperativen bringen, nicht nur, aber natürlich auch zum Kaufen. Zum Programm gehört aber auch eine Einführung in die jeweilige Lebenswelt. Es gibt vor allem Teppich-, Rosen-, Safran- und Argankooperativen, häufig als Frauenkooperativen konzipiert. Das hat teilweise wohl auch Werbegründe (Arganöl wird zum Essen, fast noch mehr aber zur Kosmetik verwendet.) Aber zumindest teilweise handelt es sich um echte, das heißt durch die MitarbeiterInnen geleitete Kooperativen. Die TAZ führt regelmäßig Reisen zu ihnen durch. Bemerkenswert scheint mir, dass hier mit beschränktem Erfolg, aber immerhin die wirtschaftliche Situation vor Ort verbessert wird.
Das kommt auch nicht von ungefähr. Ibn Khaldoun, ein Philosoph, Ökonom und Historiker des 14. Jahrhunderts hatte die Gruppensolidarität als die Grundlage aller Kultur und historischen Entwicklung bestimmt, und im Alltag auch der Berber und Nomaden war Gemeineigentum der Normalfall. So stehen die nur in diesem Gebiet vorkommenden Arganbäume teilweise noch auf Allmenden, d.h. die Bäume gehören Familien, der Boden aber der Allgemeinheit. In diesem Fall ist die Verbindung von Herdenhaltung und Baumbestand ein besonders inniger: Die Ziegen fressen die Arganfrüchte und scheiden die unverdauten Nüsse aus, die von den Frauen gereinigt, geknackt und mühselig zu Öl verarbeitet werden. Immerhin ist die Nachfrage derzeitig gewaltig.