Allmenden

allmende1Noch vor wenigen Jahren war „Allmende“ einfach ein aussterbendes Wort für eine aussterbende Sache – bis es eine neue Konjunktur im Zusammenhang mit freier Software, geistigen Eigentumsrechten („Creative Commons“), aber auch mit Saatgut, Umweltressourcen und generell mit Gemeingütern erlebte.

Die ursprüngliche Allmende (auch Allmend, Hutanger, Espan) war ein Weideland im Gemeinbesitz, das seit dem 11. oder 12. Jahrhundert vom Wald unterschieden wurde. Bei uns „verschwanden“ die Allmenden ab Ende des 18. und verstärkt im 19. Jahrhundert, richtiger gesagt: sie wurden aufgehoben. Aber in einigen Gegenden vor allem Süddeutschlands und insbesondere in der Schweiz existieren sie bis heute, allerdings als relativ unbedeutende Relikte. Im Englischen ist die Allmende ein Common (ohne s), im amerikanischen Englisch „a (!) Commons“, die Allmendaufhebung die berühmte „Enclosure“, die Einhegung als Privatbesitz.

Heute wird „Commons“ leider oft umstandslos mit „Gemeingüter“ übersetzt. Am ehesten wäre noch zu verschmerzen, dass dies philologisch nicht ganz korrekt ist. Gemeingüter sind common goods (sofern beweglich) oder common heritage. Bedauerlicher ist, dass so die Auseinandersetzung mit dem Wirtschaftsmodell der ursprünglichen Allmende vermieden wird und zum anderen die Bildhaftigkeit der Übertragung verloren geht. Ich genieße die Bildlichkeit im Namen der ehemaligen Attac-AG „Wissensallmende und freier Informationsfluss“  und in „Creative Commons“, die die juristischen Fragen abstrakter Gebilde auf den Hintergrund  grüner Weiden und sprudelnder Wasser projiziert, aber es ist nicht nur eine ästhetische Angelegenheit, wenn die Weidewirtschaft als Modell einer Ökonomie  von freier Software und geistigen Eigentumsrechten benutzt wird. Anstatt Neues in scheinbar schon Gewusstes (Gemeingüter) einzuordnen, geht es um die metaphorische (bildhafte) Übertragung eines kaum mehr Gewussten (Allmende) in etwas ganz Neues (digitale Wissensverbreitung).

Und das ist eben das andere: indem wir „Commons“, im Englischen übrigens ein genau so altmodisches Wort wie im Deutschen, mit „Gemeingüter“ und nicht mit „Allmende“ übersetzen, meinen wir, wir wüssten schon, was es ist. Wir müssen uns dann nicht damit beschäftigen, dass die Allmende, auf die wir fortschrittliche, sozialistische, emanzipatorische, utopische Hoffnungen setzen, eingebettet war in feudale Strukturen, von denen wir das Gegenteil vermuten und dass sie in Gegenden überlebte, für die Ähnliches gilt.

Die ursprüngliche Allmende

Allmendaufhebung (Enclosure)

Tragik und Verfassung der Allmende

Umwelt und Wissen als neue Allmenden

Click the Edit link to make changes to this page or add another page.

Hinterlasse einen Kommentar